среда, 29 января 2014 г.

BEETHOVEN, Ludwig van: CHRISTUS AM ÖLBERGE


BEETHOVEN, Ludwig van: CHRISTUS AM ÖLBERGE

Ludwig van Beethoven (1770-1827):

CHRISTUS AM ÖLBERGE
Oratorium in zwei Teilen für Soli, Chor und Orchester; op. 85 - Libretto von Franz Xaver Huber

Uraufführung am 5. April 1803 (Palmsonntag) im Theater an der Wien

GESANGSSOLISTEN

Jesus, Tenor
Seraph, Sopran
Petrus, Bass

INHALTSANGABE

ERSTER TEIL

Die Orchester-Introduktion beginnt mit einem fanfarenähnlichen, düster wirkenden es-Moll-Akkord der Hörner, Fagotte und Posaunen, der in ein wehmütiges Thema der sordinierten Streicher übergeht. Dann erst greifen auch die übrigen Bläser in das musikalische Geschehen ein. Dieses Orchestervorspiel, das seinen charakteristischen Klang stellenweise durch Alt-, Tenor-, Baßposaune und den grollenden Klängen der Violoncelli und Kontrabässe erhält, läßt bereits die Kerkerszene des „Fidelio“ erahnen.

Dieses großangelegte instrumentale Klage-Vorspiel leitet direkt in den ersten Auftritt Jesu über: Das Rezitativ „Jehova, du mein Vater“ und die Arie „Meine Seele ist erschüttert“ vermittelten einen Einblick in die menschliche Existenz des Gottessohnes, die seine göttliche Natur in keiner Weise erahnen lassen. Beethoven benutzt zur Ausdeutung des Textes ausdrucksvolle Chromatik.

Dann zeigt ein anschwellender Paukenwirbel mit schwirrenden Streicherfiguren den Seraph an. Er verkündet Jesus mit Rezitativ (Erzittre, Erde, Jehovas Sohn liegt hier) und Arie (Preist des Erlösers Güte) den unabänderlichen Beschluß Gottes, daß die Erlösung der Menschen nur durch sein Leiden und Sterben erfolgen kann. Zum Seraph stellen sich die Engel und kündigen in einem gemeinsamen Gesang den Erlösten die Seligkeit an, was Beethoven zwar lyrisch und mit klanglichem Glanz vertont, bei der letzten Textstelle
Doch weh! Die frech entehren das Blut, das für sie floß,
sie trifft der Fluch des Richters, Verdammung ist ihr Los!
jedoch durch die Einführung von Dissonanzen die Musik zu äußerster Dramatik zu steigern vermag.

Im anschließenden Duett mit dem Seraph, in dem Jesus fragt, ob der himmlische Vater ihm den Tod aus Erbarmen nicht ersparen kann, findet Beethoven tiefempfundene Musik - vor allen Dingen in der Antwort des Seraphs, der Gottes eigene Worte vom „Geheimnis der Versöhnung“ zitiert, deren Erfüllung zur Errettung des menschlichen Geschlechts nötig ist, wird eine mystische Stimmung durch feierliche Bläserklänge erzeugt. Jesus erkennt nicht nur die Schwere seiner Aufgabe, sondern er bittet den Vater:
Gieß über mich den Strom der Leiden, nur zürne Adams Kindern nicht
und nimmt im Bewußtsein der Erkenntnis des göttlichen Heilsplanes das Kreuz für alle Menschen auf sich.

Nun wird aus einer kontemplativen Stimmung durch den einsetzenden Marsch der Krieger eine geradezu opernmäßige Szene geformt: Leise und unisono, als nähere sich eine unbekannte Gefahr, setzt dieser Marsch ein; auch der Chor hält diesen leisen Ton, mit nur wenigen Ausbrüchen, bei und wirkt dadurch gefährlich. Jesus wendet sich in einem rezitativischen Gebet noch einmal an Gott, er möge doch die Leidenszeit für ihn verkürzen, fügt aber auch die Worte hinzu (Matthäus 26, 39ff; Markus 14, 36ff; Lukas 22, 41ff):
Doch nicht mein Wille, nein, dein Wille nur geschehe.

Unmittelbar darauf stürzen sich die Krieger auf Jesus. Ihr Gesang mischt sich mit den ängstlichen Rufen der Jünger und die Dramatik wird durch Petrus' Einschreiten, der seinen Meister mit dem Schwert verteidigen will, noch gesteigert. Jesus aber verwehrt den Kampf mit dem gebieterischen Wort, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken, denn Gott im Himmel würde Legionen Engel senden, wenn es sein Wille wäre.

Ein Terzett, das Petrus, Jesus und den Seraph als Ausführende hat, drückt textlich die unterschiedlichen Empfindungen über das Geschehen aus, nur die Musik kann einen merkwürdig textunabhängig vertonten Gestus nicht verwischen - sie strömt abermals opernhaft, an die Marzelline-Jaquino-Szene des „Fidelio“ erinnernd, dahin. Petrus gesteht, daß in seinen Adern „Zorn und Wut“ wühlen, was nur das Blut der „Verweg'nen“ zu „kühlen“ vermag; Jesus antwortet mit einem Zitat eigener Worte (siehe sowohl bei Matthäus, 5,43 und 44, als auch bei Lukas, 6, 27):
Du sollst nicht Rache üben, ich lehrt' euch bloß allein,
die Menschen alle lieben, dem Feinde gern verzeihn!
der Seraph ruft die Menschen auf, dieses Wort über die Nächstenliebe als wichtiges Gebot Gottes zu beachten; beide, Jesus und der Seraph, wiederholen danach duettierend genau dieses Gebot sehr eindringlich, und durch Petrus' Zustimmung zum Ende des Gesangsstückes hin wird wieder ein Terzett gebildet.

Abermals gibt es einen chorischen Auftritt durch den Gesang der Krieger, die Jesus „schleunig“ vor das Gericht bringen wollen und dem ängstlichen Jünger-Chor, die sich ebenfalls schon verhaftet und „dem Tode geweiht“ sehen. Nur Jesus bleibt ruhig und sieht sein Ende mit Zuversicht und fester Überzeugung nahen:
Meine Qual ist bald verschwunden, der Erlösung Werk vollbracht,
bald ist gänzlich überwunden und besiegt der Hölle Macht!

Der Schlußchor „Welten singen Dank und Ehre dem erhab'nen Gottessohn“, in dem Beethoven auch Trompeten einsetzt, beginnt zunächst „Maestoso“ und mit einer an Haydn erinnernden Tonsprache komponiert. Im zweiten Teil, zu den Worten „Preiset ihn, ihr Engelchöre, laut im heil'gen Jubelton!“, geht die Musik in ein fugiertes Thema über. Der versöhnliche Abschluß des Oratoriums mit einem wahren C-Dur-Klangrausch läßt bereits an das „Fidelio“-Finale denken.

INFORMATIONEN ZUM WERK

Während man früher als Entstehungszeit des Oratoriums CHRISTUS AM ÖLBERGE die Jahre 1801/1802 annahm, setzt man nach neueren Forschungen (beispielsweise durch den Musikwissenschaftler Dieter Rexroth) den Jahreswechsel 1802/1803 an. Damals wohnte Beethoven als Hauskomponist des Theaters an der Wien in einem hinteren Teil des Gebäudes, das Emanuel Schikander für 130.000 Gulden hatte erbauen lassen. Vertraglich war Beethoven auch die Durchführung eigener Konzerte zugesichert worden.

Hier, in diesem Refugium des neuerbauten Theaters, entstand neben seiner einzigen Oper „Leonore/Fidelio“ auch sein einziges Oratorium CHRISTUS AM ÖLBERGE auf einen Text des Wiener Librettisten Franz Xaver Huber. Die Zeit der Passionsmusiken nach dem Bibeltext, als deren Höhepunkte die „Historien“ von Heinrich Schütz und die „Passionen“ von Johann Sebastian Bach gelten, war längst vorbei; jetzt bevorzugte man eher die paraphrasierenden Darstellungen.

Franz Xaver Hubers Text zeigt allerdings nur einen Ausschnitt der Passionsgeschichte, die zwar den biblischen Text durchaus dogmatisch in eine dichterische Sprache faßt, die in der Szene der Gefangennahme im Garten Gethsemane auch opernhafte Züge annimmt, die aber trotzdem dem Hörer eher wie eine anrührende Anekdote erzählt wird. Die Frage, ob Beethoven überhaupt in der Lage gewesen wäre, ein religiöses Passionsoratorium im Stile Bachs (mit der ihm eigenen musikalischen Sprache natürlich) zu schreiben, kann man, ohne spekulativ zu werden, verneinen. Insofern ist CHRISTUS AM ÖLBERGE schon eher in der Nachfolge von Carl Heinrich Grauns „Der Tod Jesu“ zu sehen.

Nach eigenen Aussagen komponierte Beethoven das Werk im März 1803 innerhalb von nur 14 Tagen. Die Uraufführung erfolgte in jener großen „Akademie“ vom 5. April 1803, in der auch das dritte Klavierkonzert und die 2. Symphonie gespielt wurden. Der Erfolg war zunächst nur mäßig, was bis heute den Schwächen des Librettos zugeschrieben wird und das in der Folgezeit mehrfach überarbeitet wurde. Beethoven soll jedoch immer auf Hubers Originaltext bestanden haben, obwohl ihm die Unzulänglichkeiten des Textes bestimmt bewußt waren. Der Erstdruck der Partitur erschien - nach einer Umarbeitung, die Beethoven im Sommer 1811 in Teplitz vorgenommen hatte - schließlich im Oktober 1811 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Die der Musik stets zugeschriebenen opernhaften Züge lassen sich mit der zur gleichen Zeit im Entstehen begriffenen „Leonore“ begründen. Dieser zeitgleiche Entstehungsprozeß ist am deutlichsten in der Gethsemane-Szene hörbar. Das hat Zustimmung wie Ablehnung gefunden. Karl Friedrich Zelter schrieb in einem Brief an Goethe begeistert von einer Berliner Aufführung: „Das Werk scheint ein Fragment zu sein, und der Text nimmt sich aus, als wenn ihn der Komponist sich zu eigenem Verbrauch gemacht hätte. […] Das starke Orchester ist wie ein übervolles Herz, ein Puls übermenschlicher Gewalt; ich war ergriffen. [...] Der in den Worten enthaltene Unsinn verschwindet; wohlbekannte Töne erscheinen als nie gehört, man wird hingerissen.“

Ganz anderer Meinung war 1828 der Kritiker der Leipziger „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“, der das Oratorium als eine „Grenzüberschreitung“ wertete und äußerte: „Wenn vollends, z.B. im 'Christus am Ölberge', Jesus und Petrus miteinander förmlich conversiren, so ist das das gröbste Versehen, welches begangen werden könnte.“ Die Erwartungshaltung dieses Rezensenten, wie man musikalisch den Gottessohn darzustellen hat, haben Beethoven/Huber offensichtlich nicht entsprochen.

© Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
unter Hinzuziehung folgender Quellen:
Libretto
Oratorienführer von Oehlmann, Pahlen, Harenberg, Leopold
Die Musik in Geschichte und Gegenwart


Diskographische Hinweise

Auch Beethovens CHRISTUS AM ÖLBERGE wird bei den Tamino-Werbepartnern jpc und Amazon angeboten; einige dieser Einspielungen seien hier vorgestellt:


nebenstehend eine historische Aufnahme mit Fritz Wunderlich, Erna Spoorenberg und Hermann Schey; Radio Filharmonik Orkest, Leitung Henk Spruit.


auch Helmuth Rilling hat sich Beethovens Oratorium angenommen; seine Aufnahme entstand mit den Solisten Maria Venuti, Keith Lewis und Michel Brodard und der Gächinger Kantorei sowie dem Bach-Collegium.


mit Placido Domingo, Luba Organosova, Andreas Schmidt; Kent Nagano leitet den Rundfunkchor Berlin und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin.


zu der nebenstehenden Aufnahme waren nur der Dirigent, Christoph Spering, und als einziger Solist der Tenor Steve Davislim zu ermitteln; es spielt Das Neue Orchester.

HONEGGER, Arthur: LE ROI DAVID

...e König bewirken? ZWEITER TEIL Der Erzähler respektive die Erzählerin sagt es kurz und knapp: „David ist König!“ Und der Beginn dieses zweiten Teils steht ganz im Zeichen der Verehrung der Bundeslade, die, als Garant für eine ewige Verbindung mit Jehova die Steintafeln mit den Zehn Geboten Gottes enthielt. Auf einen Frauenchor mit Sopransolo, der zum Ausdruck bringt, dass Gott die Seinen nie verlässt und die Menschen deshalb diesen Gott immer loben sollen, folgt der Bericht des Einzugs von König..

http://www.tamino-klassikforum.at/index.php?form=Search&searchID=1433633&highlight=Jehova


HONEGGER, Arthur: LE ROI DAVID

Arthur Honegger (1892-1955):
LE ROI DAVID (Der König David)
Psaume symphonique in drei Teilen - Libretto von René Morax (1873-1963) auf Grundlage der Bibel

Uraufführung der ersten Fassung als Bühnenmusik zum gleichnamigen Schauspiel am 11. Juni 1921 im Théâtre du Jorat von Mézières,
Uraufführung der zweiten Fassung als Psaume symphonique am 2. Dezember 1923 in Winterthur/Schweiz

SOLISTISCHE PARTIEN

Ein Erzähler oder eine Erzählerin
David: Sopran - Alt - Tenor
Die Hexe von Endor, Sprechstimme
Vierstimmiger gemischter Chor


INHALTSANGABE DES ERSTEN TEILS

Nach der kurzen, durch kriegerische wie auch pastorale Klänge gemischten Einleitung, erfährt der Zuhörer durch den Erzähler bzw. die Erzählerin, dass „der Hochwaltende“ den Propheten Samuel nach Bethlehem schickte, um dort den Hirtenknaben David, den jüngsten Sohn Isais, zum König zu salben. Saul, der noch amtierende Herrscher, ist bei Gott in Ungnade gefallen, seine Tage sind gezählt - er weiß es nur noch nicht.

Der Solo-Alt singt - als David - ein Lied, das ganz die Ergebenheit und das Vertrauen des jungen Hirten in Gott ausdrückt:
Gott der Herr ist mein Geleit,/Bin sein Schäfchen auf der Weid,
Treulich führt er mich den Pfad/Durch das Tal zu frischem Bad.
Gott der Herr, mein Hort mein Held,/Mein Gefild am Blütenbühl,
Wo mich birgt sein Schatten kühl/Im goldnen Mittagszelt.
Meine Zuflucht ist der Herr,/Dröhnen Blitze fürchterlich,
Schirmt sein Arm mich väterlich.
Mein Gott, preisen will ich dich!/Du mein Hort und Heil!

Samuel lässt sich von Isai dessen Söhne präsentieren, doch er stellt fest, dass der von Gott auserwählte nicht darunter ist. Der Vater gibt zu, dass sein Jüngster noch auf dem Felde sei und die Schafe hüte. „So sende hin und lasse ihn holen!“ fordert der Seher. Und sofort nach Davids Erscheinen salbt er ihn, vor den Brüdern und dem Vater: „Und von dem Tag an kam der Geist des Ewigen über David und verblieb bei ihm.“

Ein einstimmiger Frauenchor bringt den Psalm „Lob sei dem Herrn“ zu Gehör, der seine Farbe durch eine auffällig akzentuierte Basslinie erhält. Der Hörer erfährt, dass sich Philister und Israeliten zum Kampf rüsten und dann aus den Reihen der Philister ein ungeschlachtete Riese hervortritt und, überzeugt von seiner enormen Kraft, gegen die Israeliten spottet. Aber der Jüngling David tötet ihn, den man Goliath nennt, mit seiner Wurfschleuder und löst damit bei seinen Landsleuten großen Jubel aus. Der Kampf wird durch bitonal geführte Fanfaren dargestellt und der daran anschließende Jubelgesang ist vierstimmig gestaltet, mündend in die Aussage „Tausend Saul erschlug, aber zehntausend David!“

Dieser Jubel und die Überhöhung Davids zum Helden bringt König Saul in Rage; als er sieht, wie David seine Tochter Michal küsst, reagiert er eifersüchtig. Das Fass zum Überlaufen bringt schließlich Davids Gesang zur Harfe „an den Stufen des Throns“: Saul wird dermaßen zornig, dass er seine Lanze auf den Sänger wirft, das Ziel jedoch verfehlt (was der Erzähler zwar nicht explizit erwähnt, aus dem weiteren Berichts aber klar wird).

Zwei Psalmgesänge, zunächst für Tenor („Fürchte dich nicht!“), dann für Sopran („Ach, hätte ich die Flügel einer Taube!“) sind Deutungen von Davids Flucht in die Wüste zu den Propheten, zugleich aber auch Beleuchtung seines Seelenzustands. Ein zweistimmiger Männerchorsatz der Seher zeigt David die Kürze und Vergänglichkeit des Menschen auf: 
Ach! Der Mensch vom Weibe/Geboren, lebt nicht lang!
Die Straße die er geht,/Wie so mühsam ist sie/Und voller Traurigkeit.
Aufwächst er wie das Gras;/Abgemäht, es verwelkt.
Scheu schwindend wie ein Schatten,/Das Land das er grüßt,/Es erkennt ihn nicht mehr.

Und genau hier, in der Wüste, finden ihn Sauls Späher, doch der vom „jugendlichen Schwärmer zum Mann geläuterte“ David kann mit seinen Männern rechtzeitig ins Gebirge fliehen, wo er in einer Höhle psalmierend („Gnädiger Gott, erbarme dich mein!“) um Gottes Beistand bittet. Und Gott gibt Saul, der mit seinem Heer vor dem Gebirge lagert und mitsamt seinem Ganzen Heer in einen Tiefschlaf versetzt wurde, in Davids Hände. Doch der bringt es nicht fertig, den König zu ermorden; lediglich den Wasserbecher und den Speer nimmt er an sich - und geht davon.

Als nun der Krieg zwischen den Philistern und den Israeliten erneut ausbricht findet sich David im Lager der Feinde Israels wieder. Die Israeliten klagen mit dem Psalm „Gott, mein Herr, du bist mein Licht in der Finsternis“ über das schwere Los ihrer Tage: Der Chorsatz beginnt mit einer klanglich bitteren Zweistimmigkeit und steigert sich bis zu akkordisch-ausdrucksstarker Dichte.

König Saul ist über seine Lage völlig verzweifelt. Er spürt, dass Gott ihn fallen gelassen hat, und weiß nicht mehr aus noch ein. Der Strohhalm, an der er sich klammert, und der die Wende bringen soll, ist die Hexe von Endor; die muss den „Schatten des Königs Samuel“ aus dem Jenseits herbeirufen - eine großartig melodramatisch angelegte Szene, in der die Stimme des verstorbenen Königs tatsächlich seinem Nachfolger ein unrühmliches Ende ankündigt: „Morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir im Reich der Schatten sein!“ Und Saul fällt im Kampf gegen die Philister am Berge Gilboa; ein Bote begibt sich zu David und überbringt ihm die Krone Israels.

Ein Marsch der siegreichen Truppen der Philister geht einem Klagechor der Frauen Israels voraus, die in Wehmut des gefallenen Saul gedenken. Dieser Chorsatz wirkt, dem Inhalt entsprechend, mit seinen gehaltenen Tönen drastisch-primitiv, auch die sich später einstellende Zweistimmigkeit hat keinen beruhigenden Effekt. So endet der erste Teil, der Davids Weg vom Hirten zum König Israels beschreibt, dabei auch den Triumph über den Riesen Goliath nicht auslässt, nach Volkes Stimme eher in Ungewissheit, als Zuversicht ausstrahlend. Was wird der neue König bewirken?


ZWEITER TEIL

Der Erzähler respektive die Erzählerin sagt es kurz und knapp: „David ist König!“ Und der Beginn dieses zweiten Teils steht ganz im Zeichen der Verehrung der Bundeslade, die, als Garant für eine ewige Verbindung mit Jehova die Steintafeln mit den Zehn Geboten Gottes enthielt.

Auf einen Frauenchor mit Sopransolo, der zum Ausdruck bringt, dass Gott die Seinen nie verlässt und die Menschen deshalb diesen Gott immer loben sollen, folgt der Bericht des Einzugs von König David in Jerusalem mit dem unmittelbar sich anschließenden „Tanz vor der Bundeslade“. Dieses umfangreiche Teilstück der Partitur, das sich über einer ruhigen Flötenweise zu einem wilden Orchesterausbruch steigert, darf man als den musikalischen Höhepunkt des Oratoriums ansehen. Das Geschehen ruft Hirten und Feldarbeiter, Winzer und Kelter herbei, deren Hände alle „für den Herrn werkten“. König David, als Dichter und Musiker berühmt geworden, lässt es nicht nehmen, auch als Tänzer vor dem Heiligtum zu glänzen, um damit seinen Dank an Gott auszudrücken.

Eine Reihe von Chorsätzen lässt sich als Tempelszene auffassen: Im ersten heben die Männerstimmen unisono zu einem Lobpreis an, den die Frauen zweistimmig ergänzen:
Großer Gott, großer Gott,/Jehovah, sei mit uns!
Du morgendliches Licht,/Du des Tages Gestirn,/Sei mit uns Herr und Gott!

Eine feierliche Grundstimmung wird im nachfolgenden Priesterchor erzeugt, der durch kraftvollen Bassklang auffällt:
Wandelt den Weg der Ewigkeiten!Öffnet das Tor der Herrlichkeiten.
Gerechte nur leite sein Stern./Gehet ein zum ewigen Herrn!
Ew'ger Gott, sei mit uns, sei mit uns!

Dann schildern die Krieger der Israeliten ihre Heldentaten, unisono und rezitativisch, aber von wilden Bassfiguren begleitet:
Alle Feinde, die mich bedrängt,/Im Namen Jehovahs, ich sie bezwang
Vom Schwarm der Bienen eingeengt/Im Namen Jehovahs, der Sieg gelang.
Den dürren Busch hab' ich verbrannt/Im Namen Jehovahs, der mich gesandt.
Der ew'ge Gott hat mich beschirmt,/Und seine Rechte führte mich.
Es ist der Herr!/Großer Gott, wache auf!/Zerstreu der Feinde Schar!

Ein Frauenchor, der Gott Jehova preist, schließt mit einem viertaktigen Largamente und wirkt nach dem Chor der Soldateska wie eine Beruhigung, ehe sich der Gesamtchor der von den Frauen zuerst angestimmten Bitte um die Hilfe Jehovas gegen die Feinde des Volkes anschließt:
Großer Gott, komm zu uns!Jehovah, komm zu uns!
Großer Gott, wache auf,/zertrümmre deinen Feind!

Auf einen gehaltenen F-Dur-Akkord, der in ein Tremolo der Geigen mündet, ertönt hier plötzlich die Stimme eines Engels, der König David einen Sohn ankündigt; der wird nicht nur in alle Zeiten und allen Völkern wie ein heller Stern leuchten, sondern sein Name wird auch nie vergehen. Dazu passt ein strahlendes Halleluja des Gesamtchores, die Tonarten D-Dur, H-Dur und Fis-Dur durchschreitend, um schließlich zu ätherisch klingenden Orchesterakkorden - immer leiser werdend - den zweiten Teil des Oratoriums zu beenden.


DRITTER TEIL

Ein einstimmiger Lobgesang, geradezu unattraktiv harmonisiert, bildet die Einleitung zu diesem letzten Abschnitt des Oratoriums, der die Regierungszeit von König David bis zu seinem Tode durch ausführliche Darstellungen aufzeigt.

Erstens: Der Bericht schildert Davids Größe als König, die ihm durch Gottes Segen zufiel. Aber David wird gleichzeitig auch als sündiger Mensch geschildert, der von der Zinne der Burg die nackte Bathseba, die Tochter Eliams und Weib des Urias, im Garten mit ihren Frauen baden sah. Hingerissen von ihrer Schönheit ließ er Urias umbringen und nahm die Schöne in sein Haus auf. Jehova aber zürnt über diese Entgleisung Davids und lässt das Kind, das beiden geboren wurde, sterben. Ein chorischer Bußpsalm, zweistimmig über gleichförmig rhythmisierte Orchesterakkorde vertont, gibt die Trauerstimmung und die Bitte des Königs um Vergebung wieder:
Mitleid, mein Gott, Barmherzigkeit!/Der dem Gefall'nen Gnade verleiht,
Wasche mich rein von Sünde und Schuld,/Dass ich liebend, wie einst,
mich in Treu' dir verbünde!
Gott, wasche mich rein von meiner Schuld!/Mitleid, O Gott, Barmherzigkeit!

Aber Jehovas Zorn bleibt: Er sendet Nathan zum König und zur Bathseba, um sie ihrer Schuld anzuklagen. Ein zweiter Bußpsalm „Ich bin gezeugt in Sünd und Not“ ist motettisch vertont, was in der als impressionistisch einzuordnenden Musik auffällig wirkt.

Zweitens: Mit dem Tod von Davids und Bathsebas Kind ist Jahwes Zorn noch nicht gestillt, denn ein älterer Sohn Davids, Absalom, ein Halbbruder des späteren Königs Salomo, erhebt sich mit einer kleinen Streitmacht gegen den Vater, der in die Wüste fliehen muss. Hier kommt der Dichter und Musiker David mit einem der berühmtesten Psalmgesänge zu Wort (Psalm 120 nach der Septuaginta/Vulgata, Psalm 121 bei Luther): „Ich hebe meine Augen auf zum Berge, von wo mir Hilfe kommt.“ Es stellt sich heraus, dass die Flucht in die Wüste nicht nötig war, denn Joab, der Heerführer Davids, besiegt im Wald von Efraim Absalom, der sich mit seinem langen Haar (dem Kennzeichen, mit dem ihn die Bibel verbindet) in einem Baum verfing. Die hier stehende Totenklage, der „Gesang von Efraim“ (für Sopransolo mit chorisch-echohaften Altstimmen vertont), ist ein ergreifend-lyrischer Einschub in die kriegerische Szene:
O du Wald Efraim/Vom Rabenvolk verflucht.
Ich pflücke deine Frucht,/Die dort am Zweige hing.
Die Frucht, rot noch von Blut,/Sie beugt mir deine Hand.
Mir winkte dieses Gut/Um eines Kusses Pfand.

Der Bericht schließt mit dem Freudentaumel des Volkes über Joabs Sieg; darein mischt sich jedoch des „ergrauten“ Davids Klage über den Verlust seines Sohnes, den „er vor allen anderen geliebt“ hat. David reißt sich jedoch zusammen, erinnert sich an sein Königtum und lässt sein Heer unter dem Klang von „Pfeifen und Trompeten“ vorbei ziehen. Er hält schließlich eine Ansprache an die Truppe, in der er die Soldaten „mein Fleisch und Gebein“ nennt und ihnen „als väterlicher König“ dankt.

Drittens: Es gibt neuen, letzten Streit mit den Philistern, den David aber mit seinem Heer endgültig klärt. Dieser Sieg führt zu einem ruhigen Chorsatz, der einstimmig beginnt, sich vierstimmig erweitert und am Ende die Soprane und Tenöre unisono Diminuendo enden lässt. Dabei geben der Choralt und die Chorbässe mit orientalisch klingenden Koloraturen dem Satz einen wirkungsvollen Kontrast.

Der Bericht geht, viertens, mit der Erwähnung über Davids Stolz weiter: Er lässt das Volk zählen, um seine Stärke zu erkennen; damit erzürnt der greise König abermals Jehova, der ihm durch einen Propheten die Pest ankündigen lässt. Die Israeliten stürzen dadurch nun in schwere Trauer und bitten mit einem kurzen, aber mit harmonischer Härte vertonten Gesang um Gnade. Gottes Zorn legt sich, als David gelobt, dem Hocherhabenen einen Tempel zu bauen. Alt und schwach geworden gibt er die Krone an seinen Sohn Salomo ab, der den Tempelbau zu Ende führt.

Salomos Krönung und Davids Tod bilden, fünftens, den feierlichen Abschluss des Werkes: Der Prophet Nathan ruft Salomo vor dem Volk als neuen Herrscher aus und die Israeliten jubeln ihm zu. David aber sieht in einer Vision einen Cherub auf der höchsten Zinne, der das Kommen eines „Gottgerechten“ verheißt - den Messias. David aber dankt Jehova für ein reiches Leben, das neben Höhen auch Tiefen kannte. Der Engel des Herrn, Sopran, und der volle Chor beenden in strahlendem D-Dur das Oratorium:
Gott verheißt : „Es wird kommen ein Tag,/Wo eine Blume euch erblüht,
Und ihr Gnadenkelch erglüht/O wie erquickt lieblich und hold
Alle Völker dieser Welt/Sein Odem des Lebens./Halleluja! Halleluja!



INFORMATIONEN ZUM WERK

LE ROI DAVID unter die Oratorien einzusortieren entspricht gängiger Praxis. Das Werk entstand gleichwohl zunächst als Bühnenmusik zum gleichnamigen Schauspiel von René Morax, das 1921 im waadtländischen Mézières, nahe Lausanne gelegen, zur Uraufführung kam. Entscheidend für die Wahl Honeggers als Bühnenmusik-Komponisten war der Rat von Ernest Ansermet, der Morax den Schweizer Landsmann empfahl. Angeregt durch den Erfolg von LE ROI DAVID wurde Honegger inspiriert, den Musikanteil zu erweitern und ein Oratorium zu schaffen (das er allerdings „Symphonischer Psalm“ nannte), und das 1923 in Winterthur zur Uraufführung kam.

Will man das Leben Davids, einer der bekanntesten und bedeutendsten Persönlichkeiten der Bibel, darstellen, das zudem in 1. Samuel 16 bis 1. Könige 2 ausführlich beschrieben wird, muss der Stoff gerafft werden. Morax und Honegger haben das geschafft und sie zeigen in ihrem Werk kein Interesse an einer idealistischen Darstellung des Dichter- und Musikerkönigs, im Gegenteil, David erscheint, ganz in der biblischen Tradition, als Mensch mit allen Stärken und allen Schwächen. Die Gegensätze sind sogar näher beieinander, als in der biblischen Vorlage: Klage und Festgesang, Jubel und Tod, Aufsteigen und Versagen stehen fest formatiert vor Augen und Ohren.

Die begeisterte Aufnahme von LE ROI DAVID als Oratorium könnte mit der Nähe zu menschlichem Dasein zu tun haben: David erscheint als begnadeter Psalmist und Sänger und als starker Herrscher. Zu spüren ist auch, das den reformiert-protestantischen Autoren der Psalmdichter David aus den sonntäglichen Gottesdiensten ihrer Gemeinden (die musikalisch ausschließlich vom Singen der Psalmen bestimmt waren), sehr nahe stand. Die Übersetzung der Textvorlage ins Deutsche durch Hans Reinhart hatte den Anspruch, Gereimtes auch wieder in Reime zu bringen - Morax benutzte nämlich die Psalmen aus der französischen Bibel.

© Manfred Rückert für den Tamino-Oratorienführer 2013
unter Hinzuziehung folgender Quellen:
Libretto
Oratorienführer von Reclam (Oehlmann) und Heyne (Pahlen)

Diskographische Hinweise

Als eines der interessantesten Werke geistlicher Musik des zwanzigsten Jahrhunderts ist LE ROI DAVID bei den Tamino-Werbepartnern Amazon und jpc erhältlich; eine Auswahl, die kein Ranking darstellt, sei hier gelistet:


Die nebenstehende Aufnahme des Labels Apex wurde ursprünglich von Erato veröffentlicht. Die Interpreten sind Christiane Eda-Pierre (Sopran), Jeanine Collard (Mezzo), Eric Tappy (Tenor), Jean Desailly (Sprecher), Bernard Petel (David als Kind), Simone Valerie (Hexe von Endor); Chorale Philippe Caillard und das Ensemble Instrumental, Leitung Charles Dutoit.


Die Ausführenden dieser von Ingo Schulz dirigierten und durch das Label Musikart herausgegebenen Einspielung sind Ute Lubosch, Ulrich Kuhlmann und Ines Villanueva; es singt der Ölberg-Chor, es spielt ein Instrumental-Ensemble.



Hier eine Aufnahme von ORFEO mit Christine Barbaux (Sopran), Jadwiga Rappe (Alt), Manfred Fink (Tenor), Sylvie Prieur (Sprecherin) und Laurent Arnold (Erzähler); Leopold Hager dirigiert den Chor des Bayerischen Rundfunks, den Knabenchor Augsburg und das Münchner Rundfunkorchester.


1952 hat Ferenc Fricsay in der Christuskirche in Berlin-Oberschöneweide Honeggers Werk aufgenommen; seine Interpreten waren Elfride Trötschel (Sopran), Lore Fischer (Alt), Walther Ludwig (Tenor) und Siegmar Schneider (Sprecher); der RIAS Kammerchor und der Chor der St. Hedwigs-Kathedrale Berlin sowie das RIAS-Sinfonie-Orchester.



Nebenstehend eine Aufnahme in deutscher Sprache mit Ute Frühhaber (Sopran), Mechthild Georg (Alt), Kay Immer (Tenor) und Will Quadflieg als Sprecher; Willi Gundlach leitet den Kammerchor der Universität Dortmund und die Dortmunder Instrumentalsolisten.


Franz Joseph Haydn IL RITORNO DI TOBIA


Prägender Forenuser
  • "musikwanderer" is male
  •  
  • "musikwanderer" started this thread
Date of registration: Jan 20th 2010

HAYDN, Franz Joseph: IL RITORNO DI TOBIA

Franz Joseph Haydn (1732-1809):

IL RITORNO DI TOBIA
(Die Rückkehr des Tobia)
Oratorium in zwei Teilen für Soli, Chor (SATB) und Orchester
Libretto von Giovanni Gastone Boccherini nach dem letzten Kapitel des apokryphen, 
alttestamentarischen Buches Tobias

DRAMATIS PERSONAE

Tobia (Tenor) 
Anna, seine Mutter (Alt)
Tobit, sein Vater (Bass)
Sara, Tobias Braut (Sopran)
Asaria/Raffaelle, Erzengel (Sopran)
Chor

Ort der Handlung eine ebenerdige Halle im Hause der Eltern des Tobia in Ninive.

INHALTSANGABE

I. Der biblische Bericht im apokryphen Buch Tobias in Kurzform:


Der alte Tobias ist ein gottesfürchtiger Mensch. Mit seinem Eheweib Hanna zeugte er einen Sohn, der ebenfalls Tobias heißt. Dem Stammesgefährten Gabel in der Stadt Rages lieh er zehn Pfund Silber. Dann erblindete der alte Tobias, weil er

da er heimkam (…) und müde war und sich neben eine Wand legte und entschlief, da schmeißte eine Schwalbe Kot aus ihrem Nest. Das fiel ihm also heiß in die Augen, davon ward er blind. Tobias aber zürnet und murret nicht wider Gott, sondern danket Gott all sein Leben lang.

Sarah, die Tochter des Raguel, ist von dem bösen Geist Asmodi besessen. Dieser Geist tötet alle Männer,die Sarah heiraten wollen.

Als der alte Tobias sein Ende nahen fühlte, sandte er seinen Sohn in die Stadt Rages, damit er von Gabel die zehn Pfund Silber zurückfordere. Zu dem jungen Tobias gesellt sich als Reisegefährte ein gewisser Asaria, der aber in Wahrheit der Erzengel Raphael ist, dessen Aufgabe der Schutz des jungen Tobias ist.

Auf der Reise wird der junge Tobias während eines Bades in einem Fluss von einem großen Fisch bedroht und beinahe verschlungen; Asaria/Raphael fordert ihn auf, den Fisch zu töten, das Herz und die Galle aber aufzuheben:

Wenn du ein Stücklein vom Herzen legest auf glühende Kohlen, so vertreibt solcher Rauch allerlei böse Gespenst von Mann und Frauen, also, daß sie nicht mehr schaden können. Und die Galle vom Fisch ist gut,die Augen damit zu salben, daß einem den Star vertreibe.

Desweiteren gibt Asaria/Raphael Tobias auf, um Sarahs Hand anhalten. Tobias' Bedenken wegen der toten Freier beschwichtigt der Reisegefährte:

(…) über welche der Teufel Gewalt hat, nämlich über diejenigen, welche Gott verachten und allein um der Unzucht willen Weiber nehmen wie das dumme Vieh. Du aber sollst dich deiner Braut drei Nächte enthalten. (...) Wenn aber die dritte Nacht vorüber ist, so sollst du dich zu der Jungfrau tun mit Gottesfurcht, mehr aus Begierde der Frucht denn aus böser Lust.

Mit dem Herzen des Fisches vertreibt Tobias den bösen Geist Asmodi. Währenddessen fordert Asaria/Raphael von Gabel die zehn Pfund Silber ein.

Der alte Tobias und sein Eheweib Hanna sorgen sich, warum ihr Sohn so lange ausbleibt. Hanna macht ihrem Ehemann Vorwürfe. Sie wissen beide nicht, dass ihr Sohn schon auf der Rückreise ist.

Der junge Tobias heilt seinen Vater:

Da nahm Tobias von der Gallen des Fisches und salbete dem Vater seine Augen. Und er litt das fast eine halbe Stunde, und der Star ging ihm von den Augen wie ein Häutlein von einem Ei. Und Tobias nahm es und zog es von seinen Augen, und alsbald ward er wieder sehend. Und sie preisten Gott, er und sein Weib und alle, die es erfuhren.

Asaria gibt sich als Erzengel Raphael zu erkennen, der alte Tobias preist den Herrn, und alle waren glücklich bis an ihr Lebensende.

II. Inhaltsangabe des Librettos von Giovanni Gastone Boccherini:

PARTE PRIMA - ERSTER TEIL

Nach der einleitenden Sinfonia erklingt ein Gebetschor für Tobit und Anna, den Eltern des Tobia, dem sich auch das Hausgesinde und die Freunde der Eltern chorisch anschließen:
Pietà d’un’infelice, afflitta genitrice
Erbarme dich einer unglücklichen, trauernden Mutter,
erbarme dich eines armen Vaters, du Vater Israels!
Dem Hörer werden mit eindringlichen Klängen die betrübten Eltern des in der Ferne weilenden Tobiavorgestellt; alle bitten den Gott Israels, begangene Sünden zu vergeben und den geliebten Sohn heimkehren zu lassen. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass im biblischen Text Vater und Sohn den gleichen Namen haben, Boccherini jedoch zur besseren Unterscheidung für den Vater den Namen Tobit wählte.

Nachdem Tobit und Anna alleine sind, erfährt der Hörer, dass Tobia für seinen erblindeten Vater in die Stadt Rages gereist ist, um dort Geschäfte zu erledigen. Anna ist verzweifelt und überzeugt, dass ihr Sohn aufdieser Reise umkam:
Né comparisce, oh Dio!
Er kommt nicht, o Gott! (…)
Unser teurer Sohn, (…) die zärtliche Stütze unseres Alters, (…) ist tot.

Tobit sieht längst nicht so schwarz; er äußert sein Vertrauen auf Jehovah und versucht, Anna mit tröstenden Worten aufzurichten. Als die ihm deswegen Vorwürfe macht, berichtet er ihr von einem Traum, in dem Tobia auf „Eingebung des Himmels und von Asmodäus“ die Tochter Sarah seines Vetters Raguel geheiratet hat. Das bringt Anna erst Recht in Rage, denn jener „böse Geist“ tötet jeden Bräutigam, der sich Sarah nähert. In einer Gleichnisarie wirft sie ihrem Gatten vor, sein durch Gottvertrauen ertragenes Leid werde ihm keinen Lohn einbringen.

Tobit weist natürlich die nach seiner Meinung unberechtigten Vorwürfe zurück und will stattdessen seine Frau trösten, doch er spricht im wahrsten Sinne des Wortes in die Leere: er hat als Blinder nicht bemerkt, dass seine Frau gegangen ist. Nun richtet er ein Gebet an Jehovah, den er in dieser Situation als einzige Hilfe begreift:
Ah tu m'ascolta, o Dio
Erhöre mich, o mein Gott, in meinem Kummer (…)
Zeige mir, wenn es dir gefällt,/dass ich nicht umsonst auf dich hoffe.

Für den Hörer ist Tobits Handlungsweise unverständlich, aber im Libretto steht nach der Arie Annas ausdrücklich „Parte - Sie tritt ab“. Solche Anweisungen haben in der Oper ihre Berechtigung, im konzertanten Oratorium können sie jedoch den Handlungsablauf verdeutlichen - andererseits zeigt sich hier aber auch die Nähe des Werkes zur Oper. So ist der nächste Hinweis im Text wieder als Verdeutlichung aufzufassen: Anna steht an der Straße und blickt in eine ganz bestimmte Richtung, aus der sie eine Person näher kommen sieht. Als sie Asaria, den Reisebegleiter ihres Sohnes, erkennt, sieht sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt:Tobia muss ein Unglück zugestoßen sein!

Doch Asaria (hinter dem sich, was wiederum ein entsprechender Hinweis des Librettos aufzeigt, der Erzengel Raphael verbirgt) hat gute Nachrichten: Tobia hat auf seiner Reise ein Ungeheuer getötet und in Ekbatana seine Verwandte Sarah geheiratet. Anna ist entsetzt, dass sich der Traum ihres Mannes als Tatsache herausgestellt hat und weist sofort auf die bisher schon verstorbenen sieben Bräutigame der Sarah hin, doch Asaria beruhigt sie mit dem Hinweis, Tobia werde keinen Schaden erleiden. Er kündigt, bevor er „abtritt“, die Rückkehr ihres Sohnes mit seiner Frau an und sagt ihr noch voraus, dass Tobia dann auch den Vater von seiner Blindheit heilen werde:
Quel figlio a te sì caro
Dein teurer Sohn, den dir der Himmel nun wiedergibt,
soll dem Vater, der auf ihn wartet, das Augenlicht wiedergeben.
Dieses außerordentliche Werk wird dein Sohn vollbringen (...)

Anna äußert ihren Unglauben über Asarias Voraussage; sie kann sich nicht vorstellen, dass ihr Sohn mehr erreichen soll, als die konsultierten Ärzte. Aber sie bereut jetzt ihr geringes Vertrauen in Gottes Fügungen und ist bereit, an Asarias Verheißung zu glauben; sie preist Gott Jehovah:
Ah gran Dio
Großer Gott, wenn du ein unwürdiges Herz/wie das meine wieder glücklich machst:
Welche Freuden darf eine unschuldige Seele erwarten,/der du deine Güte erweisest?

Nicht nur die musikalisch-ausladenden Tonsprünge aus Annas Arie übernimmt der Chor, sondern auch den Text aus dem B-Teil:
Sol tu sei quello che sei
Du allein bist wahr, groß, allmächtig,
und meine Lippen vermögen es nicht,/deine Güte zu beschreiben.

Wieder macht der Blick ins Libretto dem Hörer klar, dass zunächst Anna, dann der Chor abgehen; dafür treten von einer anderen Seite Tobia und Sarah auf die Landstraßen-Szene. Tobia äußert gegenüber Sarah seine Freude, dass sie nun seine Eltern kennenlernen wird. Weil sie momentan noch nicht zu sehen sind, bittet Sarah ihren Mann, sie zu suchen, während sie warten will. Nach Tobias Abgang richtet sie ein rezitativisches Gebet an den „Vater des Vaters Adam“:
Somme grazie ti rendo
Ich danke dir aus tiefstem Herzen (…)
Du hast meine Reise gesegnet,/segne auch meinen Aufenthalt.
In der sich anschließenden Arie gibt sich Sarah überzeugt, im Hause der Schwiegereltern gut aufgenommen zu werden, doch setzt sie alle ihre Hoffnung auf Jehovah, der die Quelle alles Guten ist.

Als sie gehen will, kommen Tobia mit seiner Mutter und Tobit mit Asaria auf sie zu. Sie wirft sich vor dem Schwiegervater zu Füßen und küsst ihm nach alter Tradition die Hand. Tobit lobt Gott und dankt ihm, dass er Sarah mitgebracht hat. Die honorige Geste seiner Frau findet Tobia nachahmenswert, also kniet auch er vor seinem Vater und bittet ihn um den väterlichen Segen. Das veranlasst Anna, ihre ungerechten Vorwürfe an den „weisen Gemahl“ einzugestehen und mit einem Kniefall vor ihm Verzeihung zu erbitten.

Die allgemeine Freude unterbricht Tobia mit der Ansage, er müsse zunächst das „Werk vollbringen“ und ruft alle auf, in „dieser schweren Stunde den Beistands des Himmels“ zu erbitten. Ein großer Dankchor der Israeliten, in den auch Tobia, Anna, Tobit und Sarah einstimmen, beendet den ersten Teil des Oratoriums mit jubelnden Klängen:
Ode le nostre voci
Erhöre unser Gebet, der du inmitten geflügelter Cherubim
auf dem Himmelsthron die Geschicke lenkst. (…)
Sieh an die heißen Tränen, die dein Volk vergießt.
Gib Tobit das Augenlicht wieder, o Schöpfer allen Lichts.

PARTE SECONDA - ZWEITER TEIL

Der zweite Teil beginnt mit einem Gespräch zwischen Anna, Sarah und Asaria, in dem es um Tobits Heilung geht: Anna lobt abermals ihren Glauben an Jehovah
Oh della santa fé stupendi effetti
Wie wunderbar ist die Kraft des heiligen Glaubens
und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass Tobit bald wieder sehen kann. Sarah ist allerdings skeptisch, denn sie hat mitbekommen, dass die ninivitischen Nachbarn die Israeliten wegen ihres Glaubens verspotten. Doch Asaria beruhigt sie und weist auf das in Kürze geschehende Wunder der Heilung hin: das werde die Ungläubigen verwirren, das eigene Volk jedoch aufrichten.

Anna ist über die Aussagen des merkwürdigen Asaria verwirrt und sie fragt ihn, woher er sein Zukunfts-Wissen habe. Seine Antwort ist sibyllinisch mit einem Anflug von apokalyptischer Zukunftsschau:
Come se a voi parlasse un messagier del Cielo
Als wenn zu euch ein Himmelsbote spräche, glaubt, was ich euch enthüllen werde (...)
Einst wird Cynthia blutrot und trübe scheinen,
und Phoebus wird seine Strahlen in schwarze Schatten hüllen:
Die leuchtenden Sterne werden vom Himmel herabfallen,
und die Gestirne und Himmelskörper werden vergehen;
die Erde wird sich unter den Menschen auftun,
die Meereswogen werden davonfluten; aber die wahren Worte
des wahrhaftigen Gottes können niemals vergehen.

Nach Asarias Abgang gibt Anna ihrer Schwiegertochter zu verstehen, dass sie Tobias Reisebegleiter als aufrichtigen Menschen empfindet, dessen Äußerungen sie glauben muss, selbst wenn diese „allen Glauben“ übersteigen. Auch Sarah ist verwundert und fragt Anna, woher dieser Mann wohl komme. Die Antwort Annas ist erhellend: Asaria stammt aus dem eigenem Stamm, denn er hat behauptet, dem Hause des Ananias, dem Bruder Tobits zu entstammen. Sarah ist über diese Nachricht erstaunt und besingt mit einer durch reiche Bläserbesetzung (je zwei Flöten, Oboen, Englischhörnern, Fagotte und Hörnern) auffällig vertonten Arie ihre Zugehörigkeit zu einer glücklichen und tugendhaften Familie:
Non parmi esser fra gl’uomini
Mir ist, als sei ich nicht unter Menschen aus dem Stamme Naphtali,
mir scheint, als sei ich unter Engeln in den himmlischen Wohnungen.

Die folgende Aussage Annas ist „beiseite“ redend zu verstehen: sie ist glücklich über ihre würdige Schwiegertochter. Dann kommt Tobia hinzu und fragt nach seinem Vater; er habe nämlich, so teilt er mit,die Galle des von ihm getöteten Fisches dabei, die er Tobit in die Augen träufeln muss. Die Mutter erklärt ihrem Sohn, dass der Vater unter den Armen Geld und Brot verteile. Tobias Eile, durch die Unruhe begründet, dem Vater das Augenlicht wiederzugeben, lässt ihn eine Gleichnisarie singen:
Quel felice nocchier
Der glückliche Bootsmann,/der von weitem den lang ersehnten Hafen erblickt,
mag sich freuen,/doch er bedenke, dass er/(…) noch lange nicht im Hafen ist
und die Mutter äußert rezitativisch Zustimmung über die Tatkraft ihres Sohnes. Doch kommen ihr gleichzeitig Gedanken des Misslingens in den Sinn, der die Glaubensfeinde von Ninive triumphieren lassen würde. Sofort verscheucht sie diese Gedanken und meint, dass der gerechte Gott Israels keinen im Stich lassen wird. Die folgende Arie zeigt aber ihre ganze Zerrissenheit in diesen Glaubensfragen auf:
Come in sogno un stuol m'apparve
Wie im Traume erschien mir eine Schar
von Geistern, Gespenstern, Ungeheuern und Schatten;
und bei dem grausigen Anblick erschauderte mein Herz,
doch plötzlich verschwanden die unheilvolle Schar und meine Angst.
Nun fürchte ich nichts mehr (…) ich sehe hell des Tages Licht.

Ein Chorsatz, der Annas düster-zerrissene Gedanken mit dem gleichnishaften Bild eines Meeressturms kommentiert, kommt letztlich zu dem Schluss, dass die Gerechten immer hoffen dürfen, weil Gott ihre Ruhe ist.

Es folgt der Höhepunkt des Oratoriums, die Heilung des Tobit. Aus dem Libretto ist ersichtlich, dass Tobit vor seinem Sohn flieht, weil er das Gallen-Gebräu in seinen Augen nicht verträgt. Er will lieber blind bleiben, als den stechenden Schmerz ertragen müssen. Asaria greift ein und fordert von Tobia Entschlossenheit, nicht Mitleid; er bietet sich an, Tobit festzuhalten, damit Tobia das heilende Gebräu in die Augen träufeln kann. Und tatsächlich gelingt jetzt die Kur. Doch der Blinde traut sich wegen der Schmerzen nicht, die Augen zu öffnen und klagt über seinen Zustand:
Invan lo chiedi, amico, invan lo speri, o figlio
Vergebens verlangst du das, mein Freund,/vergebens hoffst du darauf, mein Sohn; (…)
Ich hasse das Tageslicht, ich liebe meine Finsternis,
die Augenlider öffnen und leben kann ich nicht.

Es bedarf vieler aufmunternder Worte von Tobia und Asaria, bis Tobit die Augen endlich öffnet. Aber seine Augen sind nach den langen Jahren der Blindheit nicht mehr an das Tageslicht gewöhnt. Tobia ist verzweifelt und sieht seine Bemühungen umsonst verlaufen. Merkwürdig: Anna nennt die durch Schmerzen begründete ablehnende Haltung ihres Mannes eine „unheilvolle Nachricht“ und kommt sofort auf das „freche Volk von Ninive“ zu sprechen, das ihnen Anmaßung vorwerfen wird. In einem Duett mit ihrem Gatten, der von verlorener Hoffnung und Verhöhnung des Glaubens durch die Nachbarn spricht, sieht sich Anna in ihrer Meinung über die „Ungläubigen“ bestätigt.

Nun tritt Sarah hinzu und durch ihren rezitativisch vorgetragenen Bericht erfährt der Hörer, dass Asaria ihr den Rat gegeben hat, Tobit mit einem schwarzen Tuch die Augen zu verbinden, um es nach und nach durch immer leichtere zu ersetzen. Und tatsächlich hat dieser Rat geholfen, denn Tobit kann nun das Tageslicht ertragen!

Der Geheilte kommt, ohne fremde Hilfe, aber gefolgt von seinen Freunden, auf die Szene, und lobt zunächst den „göttlichen Wohltäter“, zeigt sich dann erstaunt über Annas noch immer „strahlende Schönheit“ und dankt seinem Sohn und seiner Schwiegertochter für ihren Einsatz - aber auch Asarias Hilfe vergisst Tobit nicht. Er befiehlt, die Hälfte des Vermögens, das durch Tobias Geschäftsreise gewonnen werden konnte, dem freundlichen Reisebegleiter seines Sohnes zu übergeben.

Nun kommt Asaria und kündigt allen seinen Abschied an, außerdem lehnt er das Angebot von Tobits Vermögen ab, denn
ich bin kein Sterblicher, (…)
ich bin Raphael, einer jener sieben Engel, die auserwählt sind,
Gott die heiligsten Bitten vorzutragen. (…)
der unendlich Gütige sandte mich herab,
um Tobia zu verteidigen, ihm Sarah anzutrauen
und Tobit das Augenlicht zurückzugeben
Er fügt noch hinzu, dass alle fortfahren sollen, dem ewigen Gott treu zu dienen, die harte Sklaverei zu ertragen, denn die Stunde, da Ninive untergehen werde, sei nicht mehr fern. Danach, so heißt es im Libretto, schwebt „eine Wolke vom Himmel herab; sie verhüllt ihn, und er steigt mit ihr in die Höhe“- in einer Oper käme an dieser Stelle die Maschinerie der Theaterbühne zum Einsatz.

Im jubelnden Schlusschor danken alle Jehovah für seine Hilfe:
Decantiam quel Dio pastore
Lasst uns den Herrn, unseren Hirten, lobpreisen,
der gegen uns, seine erwählte Herde,
nicht der Gott der Rache,
sondern der Gott der Barmherzigkeit war.

INFORMATIONEN ZUM WERK

Mit der „Schöpfung“ und den „Jahreszeiten“ hat Joseph Haydn seinen festen Platz in der Geschichte des Oratoriums. Dass er sich freilich schon ein Vierteljahrhundert zuvor mit IL RITORNO DI TOBIA an einem Oratorium erprobt hatte, ist manchem Musikfreund nicht bekannt. Denn nach seiner Uraufführung 1775 konnte sich das Werk nicht dauerhaft im Repertoire halten und verschwand schließlich in den Archiven.

Zunächst gilt es aber festzustellen, dass die ersten beiden Aufführungen des für die Wiener „Tonkünstler-Societät“ entstandenen Werkes in zwei Benefizkonzerten „zum Unterhalt ihrer Witwen und Waisen“ einen Gewinn von 1712 Gulden erbrachten und zugleich einen künstlerischen Erfolg für den Komponisten bedeuteten. Das allgemeine Lob für Haydns Werk hielt die Wiener „Realzeitung“ vom 6. April 1775 fest:

(…) der berühmte Herr Kapellmeister Hayden hat seine bekannte Geschicklichkeit abermals auf der vortheilhaftesten Seite gezeiget. Ausdruck, Natur und Kunst war durchgängig in seiner Arbeit so fein verwebt, daß die Zuhörer das eine lieben und das andere bewundern mußten. Besonders glühten seine Chöre von einem Feuer, das sonst nur Händeln eigen war, kurz, das gesammte, außerordentlich zahlreiche Publikum wurde entzückt.

Das Libretto des Oratoriums stammt von Giovanni Gastone Boccherini, Theaterdichter am Wiener Hof und Bruder des Komponisten Luigi Boccherini, der das alttestamentarische Buch Tobias (bei den Evangelischen Christen ein apokryphes Buch) zu einem der klassischen italienischen Tradition verpflichteten Text geformt hatte. Dabei hat Boccherini nicht nur die Handlung erheblich gekürzt (von den vierzehn Kapiteln behandelt sein Libretto nur die Rückkehr Tobias von einer Reise und die Heilung seines blinden Vaters), sondern auchdie handelnden Personen erheblich eingeschränkt: es treten nur Anna und Tobit, Tobia und Sarah, sowie der Reisebegleiter Asaria, der sich am Ende als Erzengel Raphael zu erkennen gibt, auf. Tobias Reiseanlass, ein Abenteuer mit einem Fisch und die Eheschließung mit Sarah wird nur in nachträglichen Erzählungen erwähnt.

Haydn vertonte die Vorlage in der damals üblichen Form, indem er den Chor nur an den Eckpunkten der Handlung einsetzt, während die Solisten mit Rezitativ und Arie den Handlungsfortgang alternierend betreiben. Dabei werden beispielsweise in den meist vom ganzen Orchester begleiteten Rezitativen dramatische Effekte eingesetzt, die eindrucksvoll die im Text beschriebenen Seelenzustände und Naturgewalten unterstreichen. Und für die oft ausladenden Arien findet Haydn so virtuose Melodien, dass der TOBIA eine enorme Herausforderung für Solisten darstellt.

Kein Wunder also, dass IL RITORNO DI TOBIA ein großer Erfolg war. Binnen kurzem kursierten Abschriften der Partitur in ganz Europa und Haydn selbst zählte das Werk zu seinen erfolgreichsten. Es ist allerdings bekannt, dass eine 1781 in Wien geplante Reprise nicht zustande kam, weil sich inzwischen nicht nur der Publikumsgeschmack gewandelt hatte, sondern man das fast dreistündige Werk auch als zu lang empfand.Die von der Tonkünstler-Societät geforderte Kürzung für die Wiederaufnahme lehnte Haydn schließlich ab, weil man seine Bitte um „Benefiz-Billetten, oder eine andere Bonification für seine Mühe“ ablehnte. Diese Ablehnung wurde allerdings mit dem zusätzlichen Argument verbunden, dass sich für die besonders anspruchsvolle Partie der Anna keine geeignete Solistin gefunden habe. Damit war das Schicksal des TOBIAbesiegelt.

Trotzdem hat Haydn sein Oratorium später doch noch einer Überarbeitung unterzogen; das Autograph bezeugt dies auf mannigfache Weise: so wurde manches vom Orchester begleitete Rezitativ in ein Secco umgewandelt, wodurch den Interpreten größeren gestalterischen Freiraum zugestanden wurde. Die hohen technischen Anforderungen in den Arien reduzierte Haydn durch die Streichung von allzu ausladenden Koloraturen oder Wiederholungen; das erleichterte die Besetzung der entsprechenden Partien.

Möglicherweise hängt diese Bearbeitung mit einer Wiederaufführung des TOBIA im Jahre 1784 zusammen.Die 1797 geplante Aufführung auf Wunsch von Kaiserin Maria Theresia (gebürtige Prinzessin Maria Theresia von Neapel und beider Sizilien [1772-1807], Gattin des Kaisers Franz II.) kam dagegen nicht zustande, weildie Orchester- und Chorstimmen nicht mehr auffindbar waren. Die letzte Aufführung zu Haydns Lebzeiten fand am 22. und 23. Dezember 1808 statt, und zwar in einer Bearbeitung seines Schülers Sigismund von Neukomm. Trotz der von Neukomm vorgenommenen Striche wurde die Aufführung auf zwei Abende verteilt, weil man die Aufnahmefähigkeit des Publikums offensichtlich nicht über Gebühr strapazieren wollte.

© Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
unter Hinzuziehung folgender Quellen:
Italienisch-Deutsches Libretto
Werkinformationen im Booklet der NAXOS-Einspielung
.

MUSIKWANDERER

2
Thursday, October 4th 2012, 5:54pm

Diskographische Hinweise

Nachstehend die bei den Tamino-Werbepartnern erhältlichen Aufnahmen:


die Interpreten der nebenstehenden Hungaroton-Aufnahme sind 
Magda Kalmár, Zsolt Bende, Klára Takács, Attila Fülöp, Veronika Kincses; 
es spielt das Ungarische Staatsorchester, es singt derBudapester Madrigalchordie Leitung hat Ferenc Szekeres.



in der auch hier im Forum vielfach gelobten NAXOS-Einspielung sind als Solisten Roberta Invernizzi, Sophie Karthäuser, Ann Hallenberg, Anders J. Dahlin undNikolai Berchev zu hören; es spielt das OrchesterCapella Augustina, es singt das VokalEnsemble Köln;die Leitung hat Andreas Spering.



die nebenstehende NAXOS-Box vereinigt die dreiHaydn-Oratorien.



auch Antal Dorati hat diHaydn-Oratorien für DECCA aufgenommen; seine Solisten sind im TOBIA
Hendricks, Jones, Langridge, Zoghby, Luxon. 
Es singt der Brighton Festival Chorus, es spielt dasRoyal Philharmonic Orchestra.
.

MUSIKWANDERER